Hochverehrter Ernst Ludwig

Der Nachlass des Künstlers »Drei«

Nur eine kleine Meldung im hinteren Teil der Feuilletons war der internationalen Presse der unglaubliche Fund des Künstlers Drei wert, dessen fragmentarischer und bislang rätselhafter Nachlass dieser Tage im Londoner Auktionshaus Christie´s unter den Hammer kommt. Das vorläufige Ende langjähriger Forschung sei hiermit gesetzt, um abzuschließen, was zu entschlüsseln keiner vermochte.

Hinweise auf die Existenz Dreis fanden sich in den Nachlässen großer Künstlernamen in Gestalt kleiner Neujahrsgrüße, feinfühligen Miniaturmalereien, kalligrafisch verzierten Ateliereinladungen und zuweilen auch in Mitteilungen des höchst Privatem. Macke, Kirchner, Marc – sie alle pflegten einen intensiven und freundschaftlichen Briefkontakt mit Drei. Zudem schien der Unbekannte für die geplagten Künstler jener Zeit ein Vertrauter ihrer Unsicherheit gewesen zu sein. Ein ferner Vertrauter möchte man hinzufügen, denn die Briefsendungen stammen allesamt aus Loco, einem Ort in den rumänischen Karpaten.

Wer also war Drei oder sollte man besser sagen: Wer waren Drei? Fragt man in dem kleinen Bergdorf nach einem künstlerischen Genie, so weiß ein jeder von einem malenden Ahnen zu berichten. Näher liegt die Vermutung, dass Drei der damals ansässigen deutschen Minderheit angehörte. Doch allein in Loco gab es kurz nach der Jahrhundertwende etwa zehn Familien, die diesen Namen trugen. In der Ortschronik wurden sie nach Hausnummern gelistet, daneben die Vornamen der gefallenen Söhne und Väter des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Die Spur der letzten Angehörigen verliert sich in den russischen Arbeitslagern der frühen 1950er Jahre. Und das Werk Dreis? Es gab unzählige Bilder und sie waren lange im Besitz der Familien in Loco. Das letzte ist, wie all die anderen zuvor, vor etwa 15 Jahren an einen Reisenden verkauft worden. Der Tourismus hat Loco zu einem bescheidenen Wohlstand verholfen.

Auch Christie´s kann nun auf ein gutes Geschäft hoffen. Viele Sammler warten seit Jahren auf die Freigabe der Arbeiten durch das Kunsthistorische Institut der Universität Zürich. Christie´s Auktionator James McLean gibt sich zuversichtlich »Wo Wissensdurst nicht gestillt werden kann, überzeugt den Kenner am Ende die Qualität des malerischen Werks.«