Dreiteilige Fotoserie eines mir unbekannten österreichischen Konzept- und Fotokünstlers (möglicherweise Tassilo Blittersdorff). Die Serie beinhaltet (laut Hotelchef) drei mögliche Seins-Zustände eines Schneeballes.

Als ich mit meiner Familie im März diesen Jahres für zwei Wochen nach Italien fuhr, legten wir kurz vor dem Brenner eine Pause ein, um im Tiroler Dorf Miedern zu übernachten. Das kleine Hotel, in welchem wir bereits im Vorfeld ein Zimmer gebucht hatten, war nicht besonders stilvoll eingerichtet. Qualitativ minderwertige Einrichtungsgegenstände, mittelmäßiges Essen – alles was man so braucht um gut für eine Nacht bleiben zu können. Auf den Fluren und den meisten Zimmern hingen Plakate von bekannten Kunstwerken an den Wänden - Picasso, Seurat, Monet, usw.- einige sogar gerahmt, tendenziell aber eher Plastik- als Holzrahmen.

Was die Kunst in unserer Zimmer anging, so stellte sich später heraus, hatten wir mit unserer Nummer 56 einen Glücksgriff gemacht. Hier hing eine dreiteilige Fotoarbeit eines Künstlers. Eine serielle Arbeit. Dreimal eine verschneite Landschaft. Wahrscheinlich die Ansicht eines Tales aus dieser Gegend. Zumindest glaubte ich dies zu erkennen, da mir die Bergformen von der Autofahrt her bekannt vorkamen. Zu Beginn dachte ich, dass hier lieblos dreimal das gleiche Foto aufgehängt wurde, um evtl. interessanter oder intellektueller oder eben einfach nur unfreiwillig geschmacklos billig aufzutreten. Aber nachdem ich geduscht hatte und auf dem Bett lag und die Reihen etwas länger betrachtete, fiel mir auf, dass die Foto doch minimal unterschiedlich waren. Bei näherer Betrachtung war zu erkennen, dass der Bildausschnitt leicht variierte. Zu sehen war aber immer das gleiche Dorf -angeschnitten- und dahinter eine Bergkulisse. Mein Blick blieb an einer komisch geformten Wolke hängen, die so aber nicht auf den anderen Fotos zu sehen war. Also doch auch eine inhaltliche Veränderung. Ich war neugierig geworden. Leider gab es keine Signatur, weder unter dem Foto, noch auf der Rückseite des Rahmens. Dann gingen wir erstmal Abendessen.

Als der Hotelchef an der Rezeption uns später sehr gesprächig einen schönen Abend wünschte, nutzte ich die Gelegenheit und fragte ihn nach den drei Fotos in unserem Zimmer. Wer und was, und so. „Ach die“, meinte er, „die seien wohl von einem lokalen Konzeptkünstler, der auch ab und zu mal was mit Fotos macht“. So genau wisse er aber nicht wie der Künstler heisst, denn seine Exfrau (vom Hotelchef), die damals im Tiroler Künstlerbund aktiv war, hat sie als Bezahlung eines Künstlers für einen zweiwöchigen Winterurlaub im Hotel entgegengenommen. Ihm selbst war dies ja eigentlich nicht recht gewesen, denn mit Fotos kann man kein Hotel heizen. Er hat sie aber dort hängenlassen, auch nachdem seine Frau ihn verlassen hat. Warum auch nicht. Sie meinte, die Fotos gehören in dieses Zimmer. Er erklärte mir weiter, dass die Fotos „anscheinend“ drei mögliche Zustände eines Schneeballes zeigen. Er hat sich dies nur gemerkt, weil es ihm total skurril und auch ein wenig bescheuert vorkam. Schon damals. Er erklärte mir folgendes: „Nach dem der Schnee(ball) sozusagen von Künstlerhand aus der Landschaft gerissen wurde, quasi seinem ursprünglichen Kontext entrissen wurde und in einer symbolischen Aktion in einem hohen Bogen den Hang hinunter geworfen wurde, versucht sich dieser nun wieder irgendwie in die Landschaft einzufügen und lotet seine neuen Optionen aus. Und genau das sei wohl auf den Fotos zu sehen. Einmal taucht er als Wolke, einmal als Rauch und einmal als bedrohliches Schneebrett auf, was kurz davor ist ins Tal zu stürzten. Ein bisschen Dramatik muss eben auch ab und zu sein.“ meinte der Hotelchef. „Wer weiss, vielleicht verkauft es sich dann besser“, fügt er noch hinzu. Auf meine Nachfrage, wie der Künstler denn heisse, weil ich sein Konzept sehr interessant finde und weil ich auch Künstler bin auch schon mal was mit Schneebällen gemacht habe, wurde mir mit einem leichten Kopfschütteln der Name „Tassilo Blittersdorff“ gesagt. Aber mit der Bemerkung, dass dies auch gar nicht stimmen könnte.

Bevor wir am nächsten Morgen weiterfuhren, inspizierte ich die Fotos genauer und entdeckte mit Begeisterung alle drei Zustände des Schneeballs. Eine sehr schöne subtile Arbeit. Gefällt mir gut. Ich fotografierte die Fotos als Erinnerung.

Erst im Zuge dieses Monatsbeitrages für den club mantell recherchierte ich den Namen Tassilo Blittersdorff (*1946, Bad Ischl), aber ich denke nicht, dass die Arbeit von ihm stammt. Er ist zwar tatsächlich ein österreichischer Konzept- und Fotokünstler, der auch in kleinen Serien arbeitet, welche sich inhaltlich mit Entstehen, Veränder- und Wiedererkennbarkeit auseinandersetzen, aber auf seiner Homepage habe ich weder diese besondere Arbeit noch eine annähernd so tolle – oder auch nur irgendwie verwandte - Arbeit gefunden. Zwar kommt laut wikipedia die „alpine Landschaft“ in seinem Themen vor, aber wahrscheinlich ist dies für einen Tiroler Künstler gar nicht so ungewöhnlich.